Lagerleiter von Mai 1933 bis April 1934
Der SA-Standartenführer Max Hähnel war der erste Lagerleiter des KZ Sachsenburg. Er baute das Lager ab Mai 1933 auf und führte es bis zu seiner Ablösung im April 1934. Hähnel verfolgte ein Konzept der „Umerziehung“ der politischen Häftlinge und wandte persönlich keine Gewalt an. Allerdings kam es auch während seiner Zeit als Lagerleiter zu Misshandlungen von Gefangenen durch SA-Angehörige.
Am 14. Juli 1897 wurde Hähnel als Sohn eines Bahnbediensteten im sächsischen Freiberg geboren. Als junger Kriegsfreiwilliger nahm er am Ersten Weltkrieg teil, wurde schwer verwundet. Nach dem Krieg machte er Abitur und wurde Beamter bei der Reichsfinanzverwaltung. Bis zu seiner Einsetzung als Lagerführer des KZ Sachsenburg arbeitete er als Steuerbeamter im Finanzamt Zschopau.
Hähnel trat 1930 der NSDAP und der SA bei, wo er eine steile ehrenamtliche Karriere in der Sturmabteilung machte. Ab Ende 1932 war er Führer der Flöhaer Standarte 182, die später die Bewachung im KZ übernahm. Ehemalige Sachsenburg-Häftlinge berichteten immer wieder, dass Hähnel zuvor im KZ Plaue Lagerleiter gewesen war. In diesem Lager waren brutale Misshandlungen an der Tagesordnung. Auch wenn er laut Archivdokumenten das Lager nicht geleitet hat, ist anzunehmen, dass er das Lager als Standartenführer häufiger aufsuchte.
Endlich betone ich, dass ich als S.A.-Führer und alter Kämpfer sehr wohl den Moment zu erfassen in der Lage bin, in denen gegen Einzelne nachdrücklich und letzten Endes unter Anwendung des Gummiknüppels vorgegangen werden muss. Den Gummiknüppel, wie überhaupt Schläge als Allheilmittel zu betrachten, und wehrlose Gefangene ohne tieferen Grund in teilweise viehischer Weise jetzt noch nach Beendigung des Ansturmes (wo selbstverständlich jedes Mittel zur Erreichung des Zieles angewendet werden muß) schlagen und misshandeln zu lassen, dazu verstehe ich mich als vierjähriger Frontsoldat nicht.
Max Hähnel in einem Brief an die Ortsgruppe Hainichen der NSDAP am 14. Juli 1933, Staatsarchiv Chemnitz, AH 30044, Nr. 2399, Bl.13-14.
Nachdem Hähnel im April 1933 zum Leiter des „Schutzhaftlagers Sachsenburg“ ernannt wurde, beurlaubte man ihn aus dem Reichsfinanzdienst. Laut Häftlingsberichten war Hähnel persönlich nicht gewalttätig. Innerhalb der SA wurde ihm vorgeworfen, zu wenig Härte zu zeigen. Hähnel glaubte daran, die politischen Gegner durch „Erziehungsarbeit“ und eine „Versöhnungspolitik“ für den Nationalsozialismus zu gewinnen.
Hähnel stand auf dem Standpunkt, dass die Gefangenen – als politische Gegner – nur zu gewinnen seien, wenn sie als Menschen behandelt würden.
Ehemaliger Häftling Hugo Gräf in einem Bericht in der Arbeiter Illustrierten Zeitung, 1936.
Außerdem setzte Hähnel auf Schulungen und die Propagandatätigkeit von Häftlingen, die „übergelaufen“ waren. Im November 1933 ließ Hähnel die Volksabstimmung zum Austritt des Deutschen Reiches aus dem Völkerbund auch im KZ Sachsenburg abhalten. Allerdings verweigerte eine Mehrheit der Häftlinge ihre Zustimmung. In der Folge wurden Gefangene von SA-Männern schikaniert.
In der darauf folgenden Nacht wurden wir Häftlinge von der SA aus den Betten geschmissen, wobei der SA-Truppführer Hinkelmann wahllos mit dem Gummiknüppel zwischen die Häftlinge geschlagen hat.
Erinnerung des ehemaligen Häftlings Herbert Theodor Friedrich
Ehemalige Gefangene erinnerten sich daran, dass ihnen Hähnel häufig außerordentlich freundlich begegnete und haltlose Versprechungen machte. Allerdings war er auch für seinen Jähzorn berüchtigt. In solchen Momenten brüllte er Gefangene an und stieß Drohungen aus.
Er konnte zu einem Gefangenen recht freundlich sein – im nächsten Augenblick aber brüllte er, stieß fürchterliche Drohungen aus, warf seinem Opfer die gemeinsten Beleidigungen ins Gesicht.
Erinnerung des ehemaligen Häftlings Otto Meinel, 1934.
Im April 1934 wurde Hähnel als Lagerleiter abgesetzt, ihn löste sein bisheriger Stellvertreter Herbert Kleditzsch ab. Zuletzt hatte Hähnel wegen Konflikten mit Untergebenen das Vertrauen seiner Vorgesetzten verloren. Zum Verhängnis wurde ihm das angeblich unbefugte Tragen von Kriegsauszeichnungen. Hähnel sollte zunächst als SA-Führer nach Thüringen versetzt werden. Stattdessen wurde er aber zwangsbeurlaubt und vor ein SA-Gericht gestellt. Schließlich wurde er zum Austritt aus SA gedrängt und aus der NSDAP ausgeschlossen.
Nachdem er sich in einer Gaststätte über den Umgang der NS-Regierung mit „alten Kämpfern“ der NS-Bewegung beschwert hatte, wurde Hähnel im März 1935 verhaftet. Drei Monate lang saß er nun selber in „Schutzhaft“. Trotzdem konnte er anschließend wieder als Finanzbeamter arbeiten, zunächst in Dresden, später in Frankfurt am Main. 1936 heiratete er, aus der Ehe gingen zwei Töchter hervor. Nach langen Kämpfen wurde er 1937 wieder in die NSDAP und 1940 in die SA aufgenommen.
Im Zweiten Weltkrieg gehörte Hähnel ab 1940 der Wehrmacht an, er wurde an verschiedenen Kriegsschauplätzen eingesetzt. Zu Kriegsende geriet Hähnel 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Schwer erkrankt starb er am 25. Januar 1946 in einem Krankenhaus in Chutorok.
Text: Volker Strähle, ergänzt mit Materialien von Anna Schüller